Von Sophie Goltz & Vadim Petrov
Geschichte
In Bremen beginnt die Geschichte des Kaffees spätestens im 17. Jahrhundert. Hinweise deuten aber auch daraufhin, dass es schon einige Jahrzehnte früher in Bremen zum Kaffeekonsum kam. Seit 1670 kann man jedoch offiziell Kaffee als eine Handelsware in den amtlichen Listen der Stadt Bremen nachlesen. Der direkte Einfuhr des Produkts erfolgte jedoch erst um das Jahr 1800. Bisher hatte die Stadt Bremen den größten Teil des Kaffees aus Bordeaux erhalten. Hier hielten die großen Handelsschiffe, da dort Wein importiert wurde. Im 19. Jahrhundert bezog Bremen sich auf den Kaffee aus der Karibik, Indonesien, sowie aus Mittel- und Südamerika.(vgl. Marzahn, 1995: 143) In Bremen wurde der Kaffee nicht nur gehandelt, sondern auch gleichzeitig konsumiert. Anlaufpunkt war dafür zunächst der Schütting in Bremen. Das Gebäude wurde von Bremer Kaufleuten zwischen 1537 und 1538 erbaut und als ein Versammlungshaus genutzt. Es steht in Bremen am Markt und gleich gegenüber des alten Rathauses. Im 18. Jahrhundert hatte sich Kaffee als ein Genussmittel in Bremen durchgesetzt. Wohlhabende Bürger und der Adel konsumierten das Getränk, für sie waren heiße Getränke wie dieses keine Besonderheit und etwas Selbstverständliches. Eine Vielfalt an Genussmitteln wie Kaffee oder auch Tabakwaren spiegelten das reiche Bürgertum wieder. (vgl. Roder, 2009: 86)
Der von Roselius im Anfang des 20. Jahrhundert entwickelte entkoffeinierte Kaffee aus Rohkaffee stellte ein Weltmonopol auf und stellte eine Verbindung mit dem Produkt und der Stadt Bremen her. Das Alkaloid Koffein wird seit 1820 isoliert und kann somit als entkoffeinierter Kaffee angeboten werden. Somit wurde versucht, dass eine negative Wirkung in Bezug auf eine erhöhte Herztätigkeit durch den Kaffeekonsum vermieden wird. Genauso soll es durch den entkoffeinierten Kaffee nicht mehr zu einer Schlaflosigkeit kommen. Durch diese Vorteile wurde ein ganz neuer Kreis von KundInnen angesprochen, die das Produkt kauften. (vgl. ebd)
Heutzutage wird Kaffee HAG auch in Krankenhäusern konsumiert. PatientInnen, die ihren Adrenalinspiegel niedrig halten sollen, werden am Nachmittag kein koffeinhaltiger Kaffee angeboten. Stattdessen sind kleine abgefüllte Kaffee Hag Portionssbeutel für solche PatientInnen vorgesehen. Oftmals sind es Menschen, die einen frischen Herzinfarkt erlitten haben. Für die Unterbindung dieser anregenden Wirkung auf den Körper mussten die natürlichen Substanzen der Kaffeebohne entzogen werden.
Roselius stellte eine neue Fabrik auf, bei der das Koffein mithilfe einer Chloridlösung mechanisch entzogen wurde. Kaffee HAG gelang es vor und nach dem Zweiten Weltkrieg eine Weltmarke auszubauen und «eine Tasse HAG» als ein Synonym für eine Tasse entkoffeinierten Kaffee auszuweiten. Neue Unternehmen, die sich in Bremen gründeten, beschäftigten sich auch mit dem Entkoffeinieren, nachdem das Roselius-Patent ausgelaufen war. Nach wie vor befindet sich die zentrale Anlage europaweit für alle entkoffeinierten Kraft-Foods Marken im traditionsreichen HAG-Werk am Bremen Holzhafen. In Italien hingegen ist Kaffee HAG ein Trend-Produkt und wird vermehrt auch von jüngeren Konsumenten getrunken.(vgl. Roder,2009: 86)
Kaffee HAG und die Kriegsblätter im ersten Weltkrieg
1906 wurde das Unternehmen von Ludwig Roselius (1874-1943) gegründet und stellte als erste Firma weltweit koffeinfreien Kaffee her. 1907 wurden bereits Fabrikanlagen errichtet und Roselius strebte ein deutsches Markenprodukt an. Der Rettungsring, den man auf der Verpackung erkennt, prägt seit Anfang an die Gestaltung des Unternehmens. Der Rettungsring steht für eine Sicherung der Gesundheit, was wohl auf die Tatsache hindeutet, dass der Kaffee koffeinfrei ist und somit gesünder und bekömmlicher ist.
Es kam zu einem hohen Wiedererkennungswert, insbesondere auch, da spezielles Kaffee Hag Geschirr hergestellt wurde. 1911 übernahm Roselius dann die monatlich erscheinende Zeitschrift „Die Güldenkammer“ und mit Kriegsausbruch wandelte sich der Untertitel um in «Der Krieg in amtlichen Depeschen und Dokumenten» und versuchte durch eine Dokumentation von kriegsrelevanten Fakten eine lückenlose Kriegschronik zu erstellen. Die Zeitschrift wurde den Verwundeten in allen Lazaretten im Deutschen Reich unentgeltlich zugestellt. Das Unternehmen druckte während dieser Zeit zunächst alle drei Monate und wandelte sich zu einer Hauszeitung mit bescheidener Aufmachung.
Am 15.10.1914 erschien die erste Nummer der «Lustige[n] Kriegsblätter für die im Felde stehenden Angestellten der KAFFEE HAG». Diese Kriegsblätter waren unter anderem an die Mitarbeiter der Firma gerichtet, die im Krieg eingesetzt wurden. Die Ausgaben enthielten lustige Artikel mit Witzen und auch Sprüchen oder Gedichten, die von Mitarbeitern Kaffee HAGs zum Teil auch verfasst wurden und oft von außenstehenden Menschen, die nicht für das Unternehmen arbeiteten, nicht verstanden wurden. Die Auflage war deswegen nicht all zu groß und lag vermutlich zwischen 120 und 250 Exemplaren. Ab 1916 präsentierte sich das Unternehmen in den Blättern unter dem Namen «Kriegsblätter der Kaffee-Hag». Ab hier wurde vermehrt auf Werbemedien geachtet und die Modernität und Fortschrittlichkeit des Unternehmens in den Vordergrund gestellt. Die Einführung des Fließbandes wurde auch zu einem großen Vorteil und die hygienischen Bedingungen für die Mitarbeiter der Firma wurden positiv bewertet und als ein großes soziales Verständnis seitens der Firma gedeutet.
In den Kriegsblättern wurden vermehrt persönliche Anzeigen abgedruckt, so konnte man sich zum Beispiel über Geburtstage oder Vermählungen der Mitarbeiter informieren. Andererseits wurden aber auch in einem schwarzen Rahmen die Gefallenen im Krieg, die für das Unternehmen gearbeitet hatten oder auch ehemalige Geschäftspartner abgedruckt. Zu Werbezwecken wurden die Kriegsblätter in den Lazeretten auch als Produktwerbung kommuniziert. Ärzte und Mitarbeiter äußerten sich dementsprechend positiv auf das Produkt. Es war eine Art der Kundengewinnung und einer Sicherung der Soldaten als Kunden nach Ende des Krieges, indem die Firma HAG sich selbst stark darstellte und durch die Blätter präsentierte.
Die Zigarettenfirma Manoli handelte identisch wie die Firma HAG. Seit 1913 konnte man in den Blättern auch Wappenmarken sammeln und beigefügte Gutscheine für Produkte der Firma erwerben. Im Jahre 1916 kam es zu einer Handelsblockade durch Großbritannien, was zur Folge hatte, dass der Vorrat an Kaffee knapp wurde. Gravierende Einschnitte und die Aufwendigen Prozesse der Ausgabe der Blätter erhöhten die Besorgnis. Trotz Hoffnung auf eine Sondergenehmigung und weiterem Druck der Blätter kam es dann im November 1916 dazu, dass die Ausgabe der Blätter eingestellt wurde.
Kaffee und Propaganda
Der Begriff der Propaganda wurde von dem Bremischen Kaufmann Ludwig Roselius (1847-1943) als ein Oberbegriff verstanden, der genauso gut als Werbung herhalten könnte. Hiermit wurde ein breites Spektrum umfasst, das von der Zusammenarbeit mit dem Auswertigem Amt und anderen politischen Aktivitäten über Sponsorinh, bis hin zum Markenartikel – Marketing reichte. (vgl. Kunczik,1997: 221) Roselius unterstützte zu Beginn der 20er Jahre das Staatswissenschaftliche Institut in Münster um Forschung auf dem Gebiet der Propaganda zu ermöglichen. (vgl. Kunczik, 1997: 222)
Roselius’ Vater besaß die Kaffee-Import und Großhandelgesellschaft Roselius & Co., in die der Sohn 1984 als Prokurist eintrat. Der frühe Tod seines Vaters im Jahre 1902 wurde vom Arzt auf «die vorzeitige Zerstörung des Gefaßsystems durch Coffein» zurückgeführt. Daraufhin entwickelte Roselius 1904 ein patentiertes Entkoffeinierungssystem. (vgl. Kunczik,1997: 221) Im Folgenden machte Roselius die Firma Kaffee HAG zu einem der ersten deutschen und internationalen Markenartikel.
Roselius war der Meinung, dass gute Propaganda ein Symbol, eine Fahne, einen Kristallisationspunkt braucht, um den sich alles gruppiert (vgl. Kunczik,1997: 226) Auf diese Weise beauftragte Roselius Künstler mit der Entwicklung des Kaffee HAG Logos. Das Markenzeichen war ein roter Rettungsring auf weißem Feld in einem Rhombus mit der Inschrift Kaffee HAG.
Noch ein wichtiger Punkt, um die Erscheinungsbild seiner Firma auszudrücken, war die Architektur – und zwar in der Böttcherstraße in der Innenstadt von Bremen, der sogenannten «Propagandastraße» für Kaffee HAG. Die zwischen 1923 und 1931 fertiggestellte Straße war für Roselius ein «Versuch, deutsch zu denken» (Kunczik, 1997: 229, zitiert nach Vetter, 1995: 103) Im Mai 1928 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift «Die Böttcherstraße»- Propagandaorgan der Kaffee HAG. Mit der Zeitschrift wollte Roselius «für ein neu zu schaffendes Europa eintreten, für ein glückliches, politisches und wirtschaftliches Zusammenleben der europäischen Völker» (ebd.)
Entkoffeinierungsprozess
Vor dem Entzug des Koffeins müssen die Bohnen unter Dampf und heißem Wasser aufgeschlossen werden, indem sich die Poren öffnen.
Die Entkoffeinierungsanlage besteht aus zwei Druckbehältern, dem Extraktionsbehälter mit dem Rohkaffee und dem Absorbtionsbehälter mit Aktivkohle. Nachdem das CO2 in die Entkoffeinierungsanlage eingeführt und unter Druck von mehr als 200 bar in einen überkritischen Zustand versetzt wurde, löst das CO2 im Kaffeebett selektiv das Koffein aus den Bohnen.
Anschließend wird das CO2 in Lagerbehältern zurückgeführt und das Koffein in einem nachgelagerten Prozess aus der Aktivkohle zurückgewonnen. Danach kann der entkoffeinierte Kaffee getrocknet und zur Weiterverarbeitung eingelagert werden.
Quellen
Standort Bremen: Qualitäten – Kompetenzen – Attraktionen. (TenDenZen 2008, Jahrbuch XV, Übersee-Museum Bremen) S. 86-88
Genuss und Mässigkeit : von Wein-Schlürfern, Coffee-Schwelgern und Toback-Schmauchern in Bremen ; mit zahlreichen Dokumenten. hrsg. von Christian Marzahn. Unter Mitarb. von Astrid Schneider / Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens ; H. 17, S. 143
Rök, Barbara (2017) Mitarbeiterfürsorge als Selbstdarstellung. Die Werkszeitschrift der Kaffee HAG im Ersten Weltkrieg. Nr. 54 (2017): KulturGut: aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums
Kunczik ,M. (1997) Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Böhlau Köln Verlag. S.221-229
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