Von Lin Kempe
Es ist der 03.März 2020. Ich befinde mich in Hamburg im Schanzenviertel vor der Roten Flora. Es ist 15.52 Uhr. Verabredet bin ich mit Hans-Martin vom Kaffeekollektiv Aroma Zapatista, welcher sich bereit erklärt hat, mit mir ein Interview zu führen.
Hans-Martin ist einer von sechs festen Mitgliedern des Kaffeekollektivs, welches sich für solidarischen Handel mit Kaffeeeinsetzt. Der Kaffee kommt sowohl von der zapatistischen Bewegung in Mexico, Chiapas sowie der indigenen Widerstandsbewegung CRIC in Columbien. Während ich noch auf Hans- Martin warte, recherchiere ich noch einmal im Internet genauer dazu.
Ich meine mich zu erinnern, einmal gelesen zu haben, dass Kaffee in den 1880er Jahren unter anderem auch mit deutschem Kapital in Mexiko als koloniales Produkt eingeführt wurde und ausschließlich für den Export produziert werden sollte. Da ist sie also wieder, die koloniale Vergangenheit Deutschlands. Diesmal geht es zwar nicht um eine deutsche Kolonie aber eben auch um das koloniale Erbe und der Verantwortung, welcher sich Deutschland meines Erachtens nach endlich gänzlich stellen sollte.
Ich durchforste mein Gedächtnis parallel zu indigenen Bewegungen Südamerikas, allen voran der zapatistischen Bewegung. Ich ziehe auch hier das Internet zu Rate und ergänze es mit den Informationen, die ich aus einem Buch von Luz Kerkeling2Kerkeling, L. „¡La Lucha Sigue!: ¡Der Kampf geht weiter! Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstands, Unrast-Verlag, 3. Auflage, 2012 habe.
Ich meine mich zu erinnern, einmal in einem Zeitungsartikel der Taz4Dieser Zeitungsartikel ist leider online nicht auffindbar gewesen gelesen, zu haben dass Kaffee in den 1880er Jahren unter anderem auch mit deutschem Kapital in Mexiko als koloniales Produkt eingeführt wurde und ausschließlich für den Export produziert werden sollte. Da ist sie also wieder, die koloniale Vergangenheit Deutschlands, die mir vor allem in diesem Semester sehr häufig begegnet ist. Diesmal geht es zwar nicht um eine deutsche Kolonie aber eben auch um das koloniale Erbe und der Verantwortung, welcher sich Deutschland meines Erachtens nach endlich gänzlich stellen sollte.
Ich durchforste mein Gedächtnis parallel zu indigenen Bewegungen Südamerikas, allen voran der zapatistischen Bewegung. Ich ziehe auch hier das Internet zu Rate und ergänze es mit den Informationen, die ich aus einem Buch von Luz Kerkeling5Kerkeling, L. „¡La Lucha Sigue!: ¡Der Kampf geht weiter! Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstands, Unrast-Verlag, 3. Auflage, 2012habe.
Die zapatistische Bewegung und der Kaffeeanbau
Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas, in dem der Großteil der heutigen Zapatistas lebt, verdoppelten sich von 1890 bis 1910 die Kaffeebetriebe, was dazu führte, dass etwa 90 Prozent der Landbevölkerung ihren Landbesitz an Großgrundbesitzer*innen verloren. Mit den Großgrundbesitzer*innen und deren Kaffeefincas herrschten nun feudale Verhältnisse wie zur spanischen Kolonialzeit. Die indigenen Gemeinden waren nicht nur landlos, sondern hatten keinerlei Rechte und wurden dazu verdammt, den Großgrundbesitzer*innen im Dienst zu stehen.
Die indigene Bevölkerung wurde missbraucht, misshandelt und teilweise sogar getötet. Während eines Jahrhunderts gab es mehrere Aufstände und bürgerkriegsähnliche Zustände (als wichtiger Protagonist sei hier der Revolutionär Emiliano Zapata geboren 1879, gestorben 1919, zu nennen, nach dem später die zapatistische Bewegung benannt wurde). In den 1970er Jahren begannen sich indigene Bäuer*innen schließlich selbst zu organisieren. 4 Die 1983 gegründete zapatistische Armee zur nationalen Befreiung, die EZLN ( Ejército Zapatista de Liberación Nacional), erhob sich am 1. Januar 1994 schließlich mit Waffen und besetzte vorübergehend einige Städte in Chiapas, worauf hin die mexikanische Regierung mit Militär und Repression reagierte. Vor allem Menschen aus der Zivilbevölkerung wurden Opfer der bewaffneten Auseinandersetzungen. Bis heute ist unklar, wie hoch die Opferzahl genau ist, Schätzungen belaufen sich auf 400 bis 1000 Menschen.
Zahlreiche Menschenrechtsgruppen weltweit erhoben schwere Vorwürfe gegen die mexikanische Regierung, da sie für den Großteil der Toten, Verletzten und Verschwundenen verantwortlich gemacht wurde. Die Kämpfer*innen der EZLN erfreuen sich bis heute internationaler Sympathien.
Die Zapatistas sind demnach aufständische indigene Personen und Gemeinden in Mexiko, die sich den Namen und die Forderung nach Land und Freiheit des Revolutionshelden Emiliano Zapata angeeignet haben[3] Der Zapatismus zeigt über seine selbst formulierten Ansprüche und seine gelebten Strukturen eine auffallende Verbindung zum Anarchismus, denn es geht um Selbstverwaltung und um die zentrale Frage der Organisation gesellschaftlichen und politischen Lebens. Das Leben der Zapatistas ist als partizipativ und basis-demokratisch organisiert zu bewerten. Ein Teil ihrer Gelder beziehen die Zapatistas durch Kaffeeanbau.
Ihr bekanntestes Motto lautet preguntando caminamos„ („Fragend schreiten wir voran““).[4] Ein neunminütiger Filmtrailer von Zwischenzeit, welcher meines Erachtens nach einen guten Einblick in die zapatistische Bewegung gibt, findet sich hier:
CRIC, Cauca, Kolumbien und Kaffeeanbau
Auch der Widerstand gegen Unterdrückung und Kolonialisierung in Kolumbien hat eine lange Geschichte und führte Teile der indigenen Bevölkerung zur Gründung des CRIC. CRIC ist die Abkürzung für „Indigener Regionalrat des Cauca“ (Consejo Regional Indigena del Cauca).
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Mitglieder der Selbstverteidigungseinheiten „Guardia Indigena“ erheben während der Hymne der Bewegung ihren Baston de Mando, das Autoritätsymbol der Amtsträger. Quelle: Eliseth Peña/Martin Mäusezahl Lizenz: ©
Dieser Rat ist eine der ältesten Organisationen der sozialen Bewegungen in Kolumbien und Lateinamerika und wurde von sieben Indigenen Selbstveraltungsgebieten am 24. Februar 1971 inmitten breiter Landkämpfe gegründet. Ihr Motto lautet bis heute „Zusammenhalt, Land, Kultur und Autonomie“[5] . Heute vereint der Rat 126 Cabildos ( indigene Lokalverwaltungen) und 94 Resguardos, also indigene Selbstverwaltungsgebiete mit einer Fläche von etwa 5.500 Quadratkilometern[6]. Dieses Land gilt als Kollektivbesitz und ist unveräußerlich. Die über 260.000 Bewohner*innen organisieren ihre Verwaltung sowie Teile der Gesundheitsversorgung, der Bildung und der Wirtschaft nach eigenen Vorstellungen.[7] Auch sie wirtschaften mit Kaffeeanbau.
Wer mehr über CRIC, Cauca und Kolumbien erfahren möchte, empfehle ich die Artikel von Knut Henkel:
https://www.aroma-zapatista.de/caucamenschenrechte
sowie Martin Mäusezahl und Eliseth Peña:
und zusätzlich das Buch zum kostenlosen download von Raul Zelik und Dario Azzellini:
Deutschland und Kaffeeanbau
Kaffee ist also eine sehr wichtige Einnahmequelle für die kaffeeanbauenden Familien in vielen Teilen Südamerikas und eben auch für die zapatistische Bewegung in Mexico und für CRIC.
162 Liter Kaffee pro Kopf werden, laut Angaben des Deutschen Kaffeeverbands ,pro Kopf in Deutschland jährlich getrunken.[8] Daher ist auch für die deutsche Wirtschaft Kaffee von hoher Bedeutung…
1.4 Zurück in Hamburg
Ich werde aus meiner Recherche gerissen. Ein Mann auf einem Fahrrad hält direkt vor der Flora und ich erkenne in ihm den alten Aktivisten der Hamburger Szene Hans-Martin. Wir geben uns die Hand ( Die Sorge,sich mit dem Coronavirus anzustecken ist zu jener Zeit noch nicht ganz allgegenwärtig) und stellen uns noch einmal vor. Ich habe Hans-Martin im vorherigen Email-Kontakt vorgeschlagen, dass er sich die Umgebung unseres Interviews selbst aussucht. Er hat sich für die Räumlichkeiten in der Roten Flora entschieden. Die Rote Flora ist ein Autonomes Zentrum, welches durch die Besetzung des ehemaligen Flora-Theaters im Hamburger Stadtteil Sternschanze, 1989, entstanden ist. [9]
„Ich gehöre hier quasi zum Inventar“ sagt Hans- Martin, während wir die Flora betreten. Wir nehmen in einem Raum mit einem Tisch und ein paar Stühlen Platz.
Bevor ich mein Diktiergerät einschalte, erläutere ich Hans- Martin noch einmal, was mich bewegt, dieses Interview zu führen.
Ich berichte von meinem Seminar „ Kaffee Stadt Bremen“ , berichte von dem geplanten Blog auf dem ein Zusammenschnitt des Interviews als Audiodatei hochgeladen werden soll und von meinen bisherigen Arbeiten zu kulturellen Widerstandsformen. Daraus ergibt sich für mich insbesondere die Frage, ob Kaffee eigentlich etwas mit Widerstand zu tun hat und wenn ja, in wie fern?
Im Interview später sagt Hans-Martin dazu:
Der Diktiergerät-Faux-Pas
Nun, hier sollte jetzt eigentlich eine Audioaufnahme von Hans-Martin folgen. Doch leider wurde das sehr interessante, eineinhalb stündige Interview nicht auf meinem Diktiergerät aufgezeichnet. Ich weiß bis heute nicht, wie dies geschehen konnte, denn ich bin mir sicher, auf Play gedrückt zu haben und das Gerät aufleuchten zu sehen. Auch war der Akku vollständig geladen. Durch die Corona-Krise war ein weiteres Interview vorerst nicht zu realisieren.
Also arbeite ich eben mit meinem Gedächtnisprotokoll und einigen zusätzlichen Recherchen und versuche so, einen kleinen Einblick in die, wie ich finde, bedeutende Arbeit von Aroma Zapatista zu geben. Ich möchte auch verdeutlichen, was Kaffee (-konsum, -handel,- kauf,-anbau etc.) mit Widerstand zu tun haben kann und was solidarischer Handel bedeutet und inwiefern er sich vom Fair-Trade-Siegel unterscheidet.
Was macht Aroma Zapatista?
Aroma Zapatista sieht sich als Kaffeekollektiv und versteht sich als Versuch, sich „möglichst wenig an bestehenden Marktmechanismen zu beteiligen“[10] Aroma Zapatista möchte Kaffee zu einem Preis anbieten, der für die meisten erschwinglich ist, sie streben nicht nach einem großen Gewinn, ihre Kalkulation basiert darauf, ihre Kosten zu decken.
Die erwirtschafteten Gewinne fließen in neue Investitionen und gesetzliche Rücklagen. Auch wird über den den Röstkaffeeverkauf Geld gesammelt, um die zapatistischen Gemeinden finanziell zu unterstützen. Konkret behält Aroma Zapatista 0,45 € vom Verkauf jeden Kilos Röstkaffee ein. Das Geld wird, laut Angaben auf deren Homepage, an die zapatistischen Räte übergeben. Diese geben an, das Geld für Gesundheits-, Bildungs- und Infrastrukturprojekte einzusetzen.
Die Unterstützung und Zusammenarbeit mit den zapatistischen Gemeinden findet bei Aroma Zapatista sowohl auf der persönlich-politischen Ebene und auf der Ebene des Handels mit zapatistischem Kaffee statt.[11]. Einige des Kollektivs begleiteten die Bewegung seit vielen Jahren und haben einen persönlichen, direkten Bezug zu Chiapas, da sie dort als Menschenrechtsbeobachter*innen in mehreren zapatistischen Gemeinden waren und mit verschiedenen Organisationen in Chiapas zusammengearbeitet haben.
Die direkte Unterstützung für die zapatistischen Gemeinden besteht im Sammeln von Unterstützungsgeldern: Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf des zapatistischen Kaffees fließt nach Chiapas zurück, um den Aufbau der zapatistischen, selbstverwalteten Strukturen zu unterstützen.
Aus: https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns 16.03.2020 17.48 Uhr
“[12]
Besonderes Augenmerk legt Aroma Zapatista also auf den solidarischen Handel.
Die zapatistischen Kaffeekooperativen sind vor dem Hintergrund entstanden, möglichst unabhängig vom Zwischenhandel zu sein, ihre eigenen Konzepte im Wirtschaften umzusetzen und die zapatistische Bewegung zu stärken. Der solidarische Handel mit ihnen ist eine Möglichkeit der konkreten, finanziellen Unterstützung zapatistischer Strukturen für die wir uns entschieden haben
https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns Stand 15.03.20, 14.56 Uhr
“[13]
Was versteht Aroma Zapatista unter Soidarischem Handel?
Aroma Zapatista kauft den Rohkaffee direkt von den indigenen Kooperativen und lässt ihn von jenen importieren. Diese Zusammenarbeit ist langfristig angelegt und soll erreichen, dass den Kaffeebäuer*innen einen möglichst stabilen und hohen Preis zugesichert wird. Oftmals sind nämlich Kaffeebäuer*innen den schwankenden Weltmarktpreisen unterlegen. Doch selbst wenn der internationale Rohkaffeepreis sinkt, sichert Aroma Zapatista die Kaffeepreise nicht.
Solidarischer Handel kann so als wichtiger Schritt angesehen werden, der den kapitalistischen Strukturen des herkömmlichen Kaffeehandels entgegenwirkt und so eine ökologische, politische und sozial Alternative bieten kann.
Auch bedeutet Solidarischer Handel für Aroma Zapatista, dass sie zusätzlich den Kampf und die die Idee einer anderen Welt der indigenen Widerstandsbewegungen unterstützen. Hans-Martin sagte mir im Interview, dass Aroma Zapatista nicht wisse, in was genau das von ihnen gespendete Geld fließe aber sie sehen, dass sie die Bewegungen unterstützen und diese ihr Gesundheits- und Bildungssystem immer mehr ausbauen. Durch regelmäßige Besuche vor Ort sehen Aroma Zapatista die Weiterentwicklungen. Durch den solidarischen Handel setzen sie sich also ein „por un mundo donde quepan muchos mundos – Für eine Welt, in der viele Welten Platz haben!“[14]
Fair-Trade bedeutet leider nicht solidarischer Handel
Fair-Trade- Siegel bedeuten nicht zwangsläufig, dass es sich um solidarischen Handel handelt.
Zwar kennzeichnet das Siegel Güter, die ganz oder teilweise nach bestimmten Kriterien aus fairem Handel stammen, doch ist die Kennzeichnung „fair“ nicht gesetzlich geregelt. [15]Es gibt eine große Anzahl an verschiedenen Kennzeichnungen von unabhängigen Organisationen aber eben auch Eigenkennzeichnungen von Hersteller*innen, wo von einige lediglich mit regionalem Bezug, die nichts mit dem Fairen Handel in engerem Sinn zu tun haben, zu betrachten sind.[16]
Für die Kosten der Zertifikate müssen Produzent*innen sowie Importeur*innen und Exporteur*innen selbst aufkommen. Möchte ein Unternehmen demnach also Produkte mit dem Fairtrade-Siegel verkaufen, muss es dafür Lizenzgebühren an den nationalen Ableger von FLO – in Deutschland an TransFair e.V. -zahlen.
Das Problem am Fair-Trade Siegel besteht also auch darin, dass die kleinbäuerlichen Kooperativen große Schwierigkeiten haben die anfallenden, recht hohen Beträge für die Gebühren der Zertifizierung aufzubringen. [17]Die Kooperativen stehen dann dadurch auch in der Verantwortung der Kontrolle einzelner Produzent*innen.
Weitere Kritik am Fai-Trade-Handel veranschaulicht im Übrigen folgender Link:
Und wie wird solidarischer Handel konkret realisiert?
Die indigenen Kaffeekooperativen sind entstanden, um möglichst unabhängig von Zwischenhändler*innen zu werden. Auch wollen sie eigene Wirtschaftskonzepte umsetzen und die Widerstandsbewegungen stärken. Dies möchte eben auch Aroma Zapatista:
Der solidarische Handel (…) ist eine Möglichkeit der konkreten, finanziellen Unterstützung zapatistischer Strukturen für die wir uns entschieden haben. Unsere direkte Unterstützung für die zapatistischen Gemeinden besteht im Sammeln von Unterstützungsgeldern.
Wie sich diese Unterstützungsgelder konkret zusammensetzen und wie viel dabei für die indigenen Beqwegungen raus kommt, wird durch den öffentliche einsehbaren Jahresbericht 2018/19 von Aroma Zapatista verdeutlicht :
0,45 € vom Verkauf jedes Kilo Röstkaffees wird einbehalten. Dieses Geld wird an die zapatistischen Räte der fünf Verwaltungszonen übergeben. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf des zapatistischen Kaffees fließt somit zum Beispiel direkt nach Chiapas zurück, um den Aufbau der zapatistischen Strukturen zu unterstützen.
Wie viel Geld zum Beispiel 2017 dabei gesammelt wurde und wofür das es eingesetzt wurde, erklärt Aroma Zapatista auf ihrer Homepage :
Für das Jahr 2017 sind an die fünf Verwaltungsbezirke jeweils Gelder in Höhe von ca. 950€ übergeben worden. Mit dem sechsten Teil unterstützen wir der zapatistischen Bewegung nahe stehende Projekte oder andere politische Projekte in Chiapas und Mexiko.
https://www.aroma-zapatista.de/projektunterstuetzung Stand 14.03.2020, 16.47 Uhr
“[18]
Doch nicht nur so zeigt u.a Aroma Zapatista Solidarität. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit ist es, die Öffentlichkeit „hinsichtlich der Entwicklung und der aktuellen Situation der zapatistischen Gemeinden und in Chiapas generell“ [19]zu informieren. Aroma Zapatista bietet unter anderem Veranstaltungen und Workshops an, bringt sich in Kampagnen und Netzwerken ein und die einzelnen Kollektivmitglieder sind in diversen Solidaritätsgruppen aktiv. Aroma Zapatista zeigt somit, dass sowohl Bildung als auch (anderer) Form von (kulturellem) Widerstand durchaus etwas mit Kaffee zu tun haben können! Und zwar weltweit.
Zusammenfassend bedeutet solidarischer Handel also, sich bewusst mit indigenen, widerständigen Kooperationen zu verbünden, mit ihnen zusammen zu arbeiten und deren soziale Bewegungen und politische Selbstorganisationsprozesse durch Unterstützungsgelder zu fördern.
Doch was hat das nun alles mit Bremen zu tun?
Hans-Martin erklärte mir, dass die meisten Kaffeebohnen der indigenen Bewegungen nicht direkt in Hamburg sondern in Bremen ankommen. Der weitere Transport findet häufig per LKW über die A1 statt.
Die Etiketten unter anderem von „ Café Minga“ sowie die vom „Espresso Kintín“ (deren Kaffebohnen von der Kooperative CENCOIC der indigenen Bewegung CRIC stammen,) wurden ebenso wie die Webseite von Aroma Zapatista vom Gestaltungsbüro Koop im Steintorviertel in Bremen konzepiert und umgesetzt.
Auch wird der Kaffee von Aroma Zapatista in folgenden Orten in Bremen zum Kauf angeboten:
colectivo
Kollektivwarenhandel für Alltag, Utopie & Widerstand
https://colectivo.org/kollektivwaren/
Infoladen Bremen
St.-Pauli-Str. 10/12
28203 Bremen
Öffnungszeiten: Mo, Mi und Fr 16- 19 Uhr
Tel: 0421-700 144; infoladen-bremen@nadir.org
Mehr Verbindung gibt es bislang zu Bremen leider nicht. Aber vielleicht können sich Bremer*innen daran ein Vorbild nehmen und ihre Kolonial-und Kaffeegeschichte aufarbeiten, in dem auch sie Solidarischen Handel betreiben?
Und was macht das nun mit mir und vielleicht auch mit der Leser*innenschaft?
Bereits bevor ich diese Recherche angegangen bin, habe ich meinen Kaffee überwiegend bei Kaffeekollektiven wie Aroma Zapatista und Café Libertad aus Hamburg bezogen. Mir war es schon immer sehr wichtig, einen möglichst bewussten Kaffeekonsum zu pflegen. Für mich schließt dies aus, den günstigsten Kaffee im herkömmlichen Supermarkt zu erwerben.
Ich trinke gern Kaffee und zugegebenermaßen bestimmt zu viel. Und natürlich habe ich als Studentin nicht üppig viel Geld übrig. Dennoch sind mir meine Privilegien bewusst und mir ist es wichtig, bei jeder Tasse Kaffee darüber nachzudenken, woher der Kaffee stammt und zu welchen Bedingungen er erwirtschaftet wird.
Das Interview mit Hans-Martin von Aroma Zapatista hat mich nachhaltig sehr geprägt. Ich versuche nun noch einmal mehr, kollektive Betriebe und ihre Arbeit und Projekte zu unterstützen. Ich versuche, kapitalistische Handels-und Machtstrukturen zu benennen und möglichst viele politische Alternativen aufzuzeigen. Dennoch weiß ich, dass auch ich mich der kapitalistischen Verwertungslogik nicht gänzlich entziehen kann.
Wichtig mit diesem Beitrag war es mir, zu verdeutlichen, dass – ohne weitere politische Forderungen -„Fair-Trade“ zu einer sozialverträglichen Legitimation postkolonialer Handelsbeziehungen heranwachsen kann und daher eher zu einer Fortführung postkolonialer Verhältnisse führt, anstatt zu deren Überwindung. Dieses gilt es meiner Meinung nach zu durchbrechen.
Auch erhoffe ich mir durch diese Arbeit, ein wenig auf die Umstände der indigenen Bevölkerung und Bewegung Südamerikas aufmerksam gemacht zu haben und zum weiterrecherchieren angeregt zu haben.
Ich möchte niemanden belehren. Ich möchte einfach dazu einladen, sich eine Kaffeelänge am Tag Zeit zu nehmen, zu überlegen, wie man was warum konsumiert und was dies für andere bedeuten kann.
Gerade zu dieser Zeit (Coronaviren lassen grüßen) ist das Wort Solidarität in aller Munde.
Por un mundo donde quepan muchos mundos – Für eine Welt, in der viele Welten Platz haben.
Es geht nicht darum, die Welt zu verbessern. Es geht darum, eine andere Welt zu ermöglichen.
Für diejenigen unter den Leser*innen, die sich mehr mit der Thematik Solidarische Landwirtschaft und Handel sowie den Indigenen Bewegungen Südamerikas, hauptsächlich Mexiko, auseinandersetzen wollen, empfehle ich folgende
Quellen
Bücher
Bellinghausen, Hermann: „Acteal – Ein Staatsverbrechen“ – Unrast-Verlag, 2010
Liebel, Manfred/ Rohmann, Gabriele : „ Entre Fronteras -Grenzgänge. Jugendkulturen in Mexico“, Archiv der Jugendkulturen-Verlag KG
Gerber, Philipp : „ Das Aroma der Rebellion“ – Unrast Verlag, 2018
Kerkeling, L. „¡La Lucha Sigue!: ¡Der Kampf geht weiter! Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstands – Unrast-Verlag, 2012
Video
http://www.zwischenzeit-muenster.de/andere-welten-film-kaffee.html
https://www.youtube.com/watch?v=GsUHz9DeZPo (leider nur auf Spanisch)
Internet
https://amerika21.de/2020/02/237755/kolumbien-indigene-cauca-cric
https://www.hafen-hamburg.de/images/image_cache/images/0/media/dokumente/HHM_POHH-Magazin-3-17-deu-final_Doppelseiten_Kaffee.pdf
https://www.flyingroasters.de/en/direct-trade/
https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/fairtrade/wie-fair-ist-fairtrade
https://utopia.de/siegel/fairtrade-siegel-bedeutung-kritik/
https://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/fairetrade-kaffee/seite-2
[1]Dieser Zeitungsartikel ist leider online nicht auffindbar gewesen
[2]Kerkeling, L. „¡La Lucha Sigue!: ¡Der Kampf geht weiter! Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstands , Unrast-Verlag, 3. Auflage, 2012
[3]https://www.cafe-libertad.de/zapatismus Stand 16.03.2020 16.43 Uhr
[4]https://www.aroma-zapatista.de/catalog/category/view/id/23 Stand 16.03.2020 17.12 Uhr
[5]https://amerika21.de/2020/02/237755/kolumbien-indigene-cauca-cric Stand 16.03.2010 16.48 Uhr
[6]Vgl. https://www.cric-colombia.org/portal/ Stand 16.03.2020 17.24 Uhr
[7]Vgl. https://www.cric-colombia.org/portal/ Stand 16.03.2020 17.24 Uhr
[8]https://www.kaffeeverband.de/de Stand 16.03.2020, 18.29 Uhr
[9] Siehe https://www.rote-flora.de/geschichte/ Stand 16.03.2020, 17.19 Uhr
[10]https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns Stand: 16.03.2020 17.49 Uhr
[11]Vgl.https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns 16.03.2020 17.48 Uhr
[12]Aus: https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns 16.03.2020 17.48 Uhr
[13]https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns Stand 15.03.20, 14.56 Uhr
[14]https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns Stand 19.03.2020, 13.58 Uhr
[15]https://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/fairetrade-kaffee/seite-2
[16]https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/fairtrade/wie-fair-ist-fairtrade Stand 19.03.2020, 14.14 Uhr
[17]https://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/fairetrade-kaffee/seite-2
[18]https://www.aroma-zapatista.de/projektunterstuetzung Stand 14.03.2020, 16.47 Uhr
[19]https://www.aroma-zapatista.de/uber-uns Stand 12.03.2020, 07.45 Uhr
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